LESERFRAGEN EXPERTENTELEFON \"Plötzlich Pflegefall\" am 04.11.2010
- Dr. med. Andre Schumacher, Düsseldorf. Facharzt für Allgemeinmedizin mit dem besonderen Schwerpunkt der Alten- und Pflegeheimbetreuung: Sie sollten die infrage kommenden Einrichtungen aufsuchen und sich die Wohn- und Pflegebereiche "in vollem Betrieb" zeigen lassen. Dazu können Sie im Internet nachschauen, ob es für die Heime schon Ergebnisse aus dem "Pflege-TÜV" gibt, der generell aber mit Vorsicht zu genießen ist. Sehr nützlich ist es auch, wenn Sie Bekannte, Verwandte, Ärzte und Angehörige von anderen Betroffenen befragen. Und schließlich können Sie das kommunale bzw. regionale Pflegebüro kontaktieren und das Gespräch mit dem Krankenhaus-Sozialdienst oder dem Entlass-Manager der Klinik suchen.
Ein Leben lang haben meine Frau und ich versucht, ohne fremde Hilfe klar zu kommen. Jetzt geht es nicht mehr. Wir sind über 80 und können nicht mehr alleine leben. Was empfehlen Sie uns?
- Dr. Andre Schumacher: Als erstes müssen Sie den Gedanken und die Tatsache zulassen, fremde Hilfe anzunehmen. Dann sollten Sie alle Möglichkeiten ambulanter Betreuung in der eigenen Wohnung prüfen und wenn möglich realisieren, um einen Umzug in hohem Lebensalter zu vermeiden. Erst danach sollten Sie in Abhängigkeit vom aktuellen Hilfe- und Pflegebedarf sowie Ihrer Gebrechlichkeit nach sorgfältiger Recherche und Prüfung den Umzug in eine betreute Wohneinrichtung oder in eine stationäre Pflegeeinrichtung erwägen.
Meine Mutter braucht nach einer schweren Operation häusliche Pflege. Also jemanden, der sie täglich mobilisiert, anspricht und gezielt pflegt. Wo finde ich eine solche Fachkraft, die wir Kinder beschäftigen können?
- Dr. Andre Schumacher: Eine kurzfristig verfügbare Fachkraft lässt sich möglicherweise über einen ambulanten Pflege- oder Betreuungsdienst oder auch über die Arbeitsagentur organisieren. Wichtig ist dann die Kostenfrage: Die Einstufung in eine Pflegestufe und damit Leistungen von der Pflegekasse gibt es im Allgemeinen nur, wenn eine mindestens halbjährige Pflegedauer zu erwarten ist. Ärztliche Maßnahmen der so genannten Behandlungspflege wie Spritzen, Verbände oder Katheter werden dagegen auf ärztliche Verordnung von der Krankenkasse bezahlt und müssen von einem zugelassenen Pflegedienst erbracht werden. Der Hausarzt kann auch eine Physiotherapie zur Mobilisierung und zum Wiedererlernen des Gehens verordnen.
Ich pflege meine Mutter und interessiere mich für die Pflege in einer Kurzzeitpflegeeinrichtung, um selbst eine Kur zu besuchen. Wie funktioniert das?
- Dr. Andre Schumacher: Kann die Pflege zu Hause von den Angehörigen vorübergehend nicht erbracht werden, besteht Anspruch auf eine bis zu vier Wochen dauernde Pflege in einem Pflegeheim. Die Pflegekasse übernimmt die Aufwendungen für Pflege, Betreuung und medizinische Behandlung bis zu einem Gesamtbetrag von derzeit 1.510 Euro im Kalenderjahr. Die Kosten, die für die Unterkunft und Verpflegung im Pflegeheim anfallen, müssen von der pflegebedürftigen Person selbst getragen werden.
Ich bin 58 Jahre alt und körperlich und geistig noch sehr fit. Trotzdem habe ich Angst, dass ich irgendwann pflegebedürftig werde und meine Kinder für mich zahlen müssen. Wie sorge ich am sinnvollsten vor?
- Susanne Besold, Expertin für Zusatzversicherungen bei den Ergo Direkt Versicherungen, Fürth. Mit einer ergänzenden privaten Pflegetagegeldversicherung können Sie optimal vorsorgen. Bei den Tarifen aus unserem Haus haben Sie die Wahl, ob Sie alle drei Pflegestufen oder nur die Stufen II und III absichern wollen. Zusätzlich bieten wir das "Demenz-Geld" an, mit dem Sie sich speziell vor hohen Betreuungskosten im Demenzfall schützen können, die von der Pflegekasse in der Regel nicht übernommen werden.
Kann ich Geld, das ich aus einer privaten Pflegezusatzversicherung erhalte, ausgeben, wofür ich will, oder gibt es da Einschränkungen?
- Susanne Besold: Sie können selbst entscheiden, wofür Sie das Geld ausgeben. Sie können es beispielsweise für eine Tages- oder Nachtpflege verwenden. Dadurch werden Ihre Angehörigen schon immens entlastet.
Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit bei der privaten Pflegeversicherung der Versicherungsfall festgestellt wird?
- Susanne Besold: In unserem Tarif Pflege-Premium wird das Pflegetagegeld ausgezahlt, wenn beim Versicherten eine der drei Pflegestufen festgestellt wurde. Die Höhe des Tagegeldes ist davon abhängig, in welcher Stufe der Versicherte eingruppiert ist. Dazu gibt es die ergänzende Pflegetagegeldversicherung speziell für die Schwerstpflegebedürftigkeit nach Pflegestufe III sowie den Zusatztarif für die Pflegestufe II.
Ich betreue meine Mutter, die zunehmend dement wird. Sie hat Pflegestufe II. Welche Leistungen gibt es aus der Pflegekasse?
- Susanne Besold: Neben dem Pflegegeld oder den Pflegesachleistungen aufgrund der Pflegestufe können Sie – wenn ein erheblicher Betreuungsbedarf festgestellt wurde – eine Betreuung durch einen Pflege- oder Betreuungsdienst in Anspruch nehmen. Die Pflegekasse zahlt dann für diese Leistungen 100 oder 200 Euro monatlich dazu. Das Geld wird nicht – wie etwa das Pflegegeld – an den Pflegebedürftigen selbst ausgezahlt.
Was ist, wenn ich plötzlich pflegebedürftig werde und mir kein Heim leisten kann? Wie wird das finanziert?
- Heike Bohnes, staatlich anerkannte Altenpflegerin, Diplom-Sozialarbeiterin und geprüfte und unabhängige Sachverständige für Pflege, Aachen: Wenn Ihr Einkommen und Vermögen sowie die Zuzahlung der Pflegekasse für den Heimplatz nicht ausreichen, erhalten Sie von Ihrem zuständigen Sozialamt die so genannte Hilfe in Einrichtungen. Das Sozialamt übernimmt dann die Kosten, die Sie selbst nicht tragen können. Sie erhalten dann zusätzlich ein monatliches Taschengeld.
Meine Mutter ist seit einigen Wochen pflegebedürftig. Der Medizinische Dienst der Kasse hat sie jetzt nach meiner Ansicht in der Pflegestufe zu niedrig eingestuft. Kann ich dagegen etwas tun?
- Heike Bohnes: Sie können gegen den Einstufungsbescheid der Pflegekasse innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen. Diesen sollten Sie auch begründen, damit die Entscheidung nochmal geprüft werden kann.
Mein Vater ist über Nacht pflegebedürftig geworden und ich kann ihn nicht selbst pflegen. Wie finde ich ein Pflegeheim, in dem er sich wohlfühlen wird?
- Heike Bohnes: Die Angebote des Pflegeheims sollten zu den Gewohnheiten und Wünschen Ihres Vaters passen. Wichtig sind dabei die Umgangsweise des Personals mit den Bewohnern, die Charakteristika der anderen Bewohner, die Wohnsituation, die Freizeit- und Essensangebote und die Tagesgestaltung. Es ist deshalb unerlässlich, sich einen persönlichen Eindruck von den Einrichtungen, die örtlich in Frage kommen, zu machen. Dies geschieht am besten mit dem Vater gemeinsam. Viele Heime bieten auch ein Probewohnen an.
Ich habe über die Möglichkeit der Kurzzeitpflege gelesen - wann nimmt man so etwas am besten in Anspruch?
- Heike Bohnes: Beispielsweise für die Übergangszeit im Anschluss an eine stationäre Behandlung, wenn die pflegerische Versorgung zu Hause noch nicht vollständig organisiert ist. Auch in Krisensituationen, in denen vorübergehend häusliche Pflege nicht möglich oder nicht ausreichend ist - etwa wenn pflegende Angehörige Urlaub oder Erholung von ihrer Pflegetätigkeit benötigen. Alternativ kann auch eine Kurzzeitpflege in Frage kommen, wenn man auf der Suche nach einem passenden Heim ist.
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